SWB: Warum haben ältere, reife Herren wie Sie das Bedürfnis, allerlei in Zeitungsartikeln, Broschüren oder Büchern der Öffentlichkeit mitzuteilen?
Eckhard Baumbach: Das ist eine gemeine und schwere Frage zugleich. Ich kann nur für mich sprechen. Ich glaubte lange Zeit, dass Dorfgeschichte und Dorfgeschichten über Generationen weitererzählt werden. Leider musste ich feststellen, dass es eben nicht mehr so ist. In den meisten Dörfern gibt es keine Schule, keinen Pfarrer mehr, die Enkel wohnen selten in dem Dorf wie ihre Großeltern. Da bleibt vieles auf der Strecke. Es ist gut, wenn sich jemand findet, der die Historie weiterschreibt und für die Nachwelt erhält. Seit meinem Rentenbeginn vor vier Jahren beschäftige ich mich intensiv mit der Geschichte meines Heimatdorfes Klitzschen.
Sind die Dr. Herzogs, Dr. Niedersens, Prof. Hans-Joachim Kadatz’ und Eckhard Baumbachs dieser Welt so etwas wie unser kulturelles Gewissen auf lokaler Ebene?
Ich kann mich mit den von Ihnen genannten Experten in der Sache, die uns eint, vielleicht vergleichen, aber gleichsetzen kann ich mich mit ihnen nie und nimmer – schon gar nicht auf eine Ebene stellen. Die von Ihnen genannten Autoren verfassen eine wissenschaftlich exakte Abfolge der Geschichte: Meine Texte schließen den seelisch-herzlichen Teil der Geschichte ein. Dass Menschen miteinander stritten, sich wieder vertrugen. Es oftmals schwierig war, eine Lösung für ihre Probleme zu finden. Das bewegt uns heute noch, regt sogar zum Schmunzeln an. Es war das Zeitalter ohne Digitalisierung.
Ist mein Eindruck richtig, dass Sie an Klitzschen hängen?
Ja, ich würde mich als Lokalpatriot bezeichnen. Ich empfinde es als sehr wichtig, dass sich jemand um den Wissensschatz der Dörfer kümmert, damit dieser für unsere Kinder und Enkel erhalten bleibt. Dafür sind gleichgesinnte Mitstreiter und viel Eigeninitiative vonnöten. Sich nur auf die Landes- oder Bundespolitik zu verlassen, wäre falsch. Zu unserem großen Glück bin ich nicht der einzige Klitzschener, der sich einbringt, sondern einige mehr, die ihr Dorf lieben.
Haben Sie ein Beispiel für den positiven Teamgeist in Klitzschen?
Es gelang uns innerhalb von drei Jahren, 100.000 Euro für die Rekonstruktion unserer Kirchenorgel durch Spenden und Fördermittel einzusammeln. Das ist für mich gelebte Dorfgeschichte.
Was blieb Ihnen bei Ihren Recherchen über Ihr Heimatdorf am meisten haften?
Es gab viele Überraschungen. Je mehr ich forschte, umso überraschter war ich, wie viele Verbindungen und Zusammenhänge von heute bis in die Vergangenheit reichen.
Mit Pfarrer und Schriftsteller Paul Schreckenbach (1866 bis 1923) hat Klitzschen einen echten Promi, wie es neudeutsch so schön heißt.
Mir war durchaus bewusst, dass Schreckenbach einiges geschrieben hat, dass heute – 100 Jahre nach seinem Tod – noch lesenswert ist. Er war ein Volksschriftsteller seiner Zeit. Bei über 500.000 verkauften Romanen und Sachbüchern wäre er heute ein Bestsellerautor.
Welches Verdienst schreiben Sie ihm noch zu?
Er schrieb Geschichte für Normalbürger – erlebbar und verständlich. Vergleichen würde ich ihn mit Sabine Ebert, die heute viel gelesene Geschichtsromane schreibt. Beiden rechne ich hoch an, Geschichte immer aus dem Blickwinkel der jeweiligen Zeit zu schreiben. Eines stellte ich bei der Sichtung der 20 Schreckenbach-Werke allerdings fest: Er hat wenig über unmittelbare Heimatgeschichte geschrieben. Nicht so intensiv und geschichtsträchtig wie Autoren in Torgau. Das hat mich anfangs ein bisschen enttäuscht. Auch den großen Torgau-Roman hat er nicht geschrieben. Das könnte jedoch seinem frühen Tod mit nur 56 Jahren geschuldet sein.
Womit hat er stattdessen heimatgeschichtlich gepunktet?
Mit seinen heimatgeschichtlichen Erzählungen und Kurzgeschichten, auf die ich eher zufällig gestoßen bin. Diese erschienen in loser Folge in Zeitschriften oder sogenannten Groschenheften vor über 100 Jahren. Die Erzählung „Der Windmüller von Melpitz“ ist wohl noch bekannt in der Region, „Der jüngste Tag“ schon weniger und drei andere Kurzgeschichten, worin es um den letzten Bären bei Weidenhain oder die Befreiung von Katharina von Bora aus dem Kloster Nimbschen durch einen mutigen Torgauer Bürger ging, sind wahrscheinlich nur noch wenigen bekannt. Mich hat eine Geschichte aus dem 30-jährigen Krieg, die in der Kirche zu Klitzschen ihr blutiges Ende fand, sehr überrascht.
Was war Ihr Antrieb, die genannten Geschichten unter dem Titel „Der Tod in der Kirche“ neu aufzulegen?
Ich war der Meinung, dass ein frisch gedrucktes und zeitgemäß aufgemachtes Büchlein seine Leser finden wird. Die guten Verkaufszahlen geben mir recht. Das hat mich zu dem durchaus positiven Resümee gebracht, dass sich die Leute mit gut aufgemachter Heimatgeschichte auseinandersetzen, sie mit Spannung und Schmunzeln lesen.
Wer nun neugierig geworden ist, kann wo diese kleine Geschichtensammlung erwerben?
Beim Kirchenförderverein Klitzschen, oder im Geschäft „Bücherwald“ auf dem Torgauer Marktplatz. Es ist ein großes Glück dass es überhaupt noch ein solches Geschäft in Torgau gibt und dass der „Bücherwald“ in Sachen lokaler Literatur zudem sehr gut aufgestellt ist.
Gibt es zum Schluss noch etwas zu sagen?
Ich möchte mich bei allen Mitstreiterinnen und Mitstreitern sowie Helferinnen und Helfern, die bei den Buchprojekten geholfen haben, herzlich bedanken. Namentlich bei Hans-Dieter Rößler für die wundervollen Zeichnungen und Karikaturen, bei Mandy Walther, die in ihrer Freizeit den Buchsatz übernommen hat und bei Doris Lehnert für die fleißige Schreibarbeit und Übertragung aus der altdeutschen Schrift in die heutige Zeit. Allen gebührt großer Dank!
Gespräch: H. Landschreiber